Die Roman-Rezension „Hippie“ von Paulo Coelho

Coelho Hippie, Quelle: Diogenes

Um Liebe, Sinnsuche und freies Reisen geht es in dem neuesten Roman „Hippie“ des brasilianischen Kultautors Paulo Coelho. Er erzählt die ungewöhnliche Liebesgeschichte zwei junger Suchender und verarbeitet dabei seine eigenen Erfahrungen.

In den 1960er und 1970er Jahren machten sich die ersten Rucksacktouristen auf den Weg von Europa nach Asien. Die Indienroute des Hippie-Trails verlief von Amsterdam über die Türkei, den Libanon, Iran, Irak, Afghanistan, Pakistan bis nach Kathmandu in Nepal. Fast zehntausend Kilometer für 100 Dollar. Die Blumenkinder träumten von einem Leben in Freiheit und begehrten radikal gegen die gesellschaftlichen Gepflogenheiten auf. „Und sie waren glücklich, weil man auf Reisen alles lernt, was man für den Rest seines Lebens braucht.“ Die Hippie-Bewegung hatte neben Reisen um die Welt, ein freies Leben mit Musik, Liebe, Drogen und gemeinsames Leben auf ihre Fahnen geschrieben.

Zwei junge Suchende

Hungrig nach neuen Erfahrungen macht sich der junge Brasilianer Paulo allein auf den Weg nach Amsterdam. Auf der Bahnfahrt in die holländische Metropole begegnet er seinen inneren Schatten. Der rebellische Paulo träumt davon, Schriftsteller zu werden, und hat dafür einen sehr hohen Preis bezahlt: Aufenthalte in psychiatrischen Anstalten, Gefängnis und Folter, das Verbot der Mutter seiner Jugendfreundin, sich je wieder ihrer Tochter zu nähern, der Spott seiner Schulkameraden, als er begann, sich anders zu kleiden als sie.

Am Obelisken auf dem Dam, einem beliebten Treffpunkt der Hippies in Amsterdam, lernt er die eigensinnige und von sich überzeugte attraktive Holländerin Karla kennen. Sie träumt davon, nach Nepal zu reisen und in einer Höhle im Himalaja zu leben, wo vielleicht irgendwann die Götter mit ihr reden. Was ihr fehlt, ist ein passender Reisebegleiter.
Paulo tanzt und singt mit Hare Krishnas auf der Straße, schlendert gemeinsam mit Karla durch Amsterdam und genießt das Nachtleben. In kurzer Zeit entwickelt sich ein unsichtbares Band zwischen den Beiden. Er fühlt sich auf geheimnisvolle Weise zu ihr hingezogen. Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte zweier Suchender nimmt ihren Anfang.

Reise im „Magic Bus“

Zögerlich beschließt Paulo, sich Karla anzuschließen und sie kaufen Tickets für den Bus nach Kathmandu. Der „Magic Bus“, der überhaupt nichts Magisches hat, ist ein alter Schulbus mit nicht verstellbaren Sitzen und einem Gepäckträger auf dem Dach. Sie starten ihre Reise von mehreren Tausend Kilometern, die sie bis ans Ende der Welt führen soll. Unterwegs freunden sie sich mit anderen Mitreisenden an und die Reise verläuft natürlich nicht ohne Zwischenfälle. „Ihm wurde jetzt plötzlich klar, dass alles vorherbestimmt war, dass er diese Reise machen, diese Menschen kennenlernen, genau das tun musste, was er immer predigte, zu dem er aber nicht immer den Mut aufbrachte: sich dem Universum anheimzugeben.“ Werden sie gemeinsam ihr Reiseziel erreichen?

Spirituelle Weisheiten als Wegweiser

In seinem Roman „Hippie“ lässt Coelho die Hippie-Zeit der 70er Jahre wieder aufleben, dabei lässt er seine authentischen Erfahrungen als junger Mann mit einfließen, was den Roman lebendig macht. Katmandu ist einer der Sehnsuchtsorte, wo viele Hippies hoffen, dass sich das Unendliche offenbart. Aber sie brauchen „keinen besonderen Ort, nur das eigene Herz und den Glauben, dass es eine gestaltlose Kraft gibt, die alles durchdringt und in sich das trägt, was die Alchimisten Anima Mundi, die Weltenseele, nennen.“

Natürlich vermittelt Coelho in seinem neuesten Buch auch wieder eine Vielzahl spiritueller Weisheiten. Sie wirken als Erkenntnisse junger Suchender sehr stimmig, da sie nicht weise und allwissend daherkommen, sondern eher als spontane Eingebungen. Im dem Roman „Hippie“ ist aber nicht alles „Happiness“, sondern er verarbeitet auch literarisch seine traumatischen Erfahrungen von Inhaftierung und Folter durch das brasilianische Militärregime.

Die sechziger und siebziger Jahre sind schon lange vorbei, aber die Einflüsse der Hippies sind noch heute wirksam in vielen alternativen Lebensstilen. Coelho lässt die bewegte Zeit eindrucksvoll wieder aufleben. Es lebe die Flower-Power-Zeit und mit ihr eine einmalige Revolution für die Liebe – und gegen das Establishment.

Kurz&Knapp: Lesenswert. Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte zweier junger Suchender in der Hippie-Zeit.

Paulo Coelho
Hippie
Hardcover Leinen, 304 S.
Diogenes, 2018

Auch als eBook erhältlich.

Paulo Coelho, geboren 1947 in Rio de Janeiro, lebt heute mit seiner Frau Christina Oiticica in Genf. Alle seine Romane (insbesondere „Der Alchimist“, „Veronika beschließt zu sterben“, „Elf Minuten“, „Untreue“ und zuletzt „Die Spionin“) sind Weltbestseller, wurden in 81 Sprachen übersetzt und über 225 Millionen Mal verkauft. Die Themen seiner Bücher und seine Reflexionen regen weltweit Leser zum Nachdenken an und dazu, ihren eigenen Weg zu suchen.

Ich danke Diogenes für das Rezensionsexemplar.